Gastbeitrag

Das Elend mit dem Magazinvertrieb

Vertrieb
13.12.2023

 
Magazine und Zeitschriften zählten immer zu den Umsatzbringern in Trafiken, doch die Volumina schwinden. Print wird ja schon seit Jahren zu Grabe getragen oder zumindest totgesagt – der Einfluss des Internets auf Printmedien ist unbestreitbar ausschlaggebend. Jedoch nicht nur. Auch der Vertrieb gehört zu den Sargträgern. Ein Gastbeitrag aus der Chefetage des WIENER.
Magazin

Stell dir vor, du hast ein Produkt, das viele mögen, aber keiner findet. Obwohl sie danach suchen. Im offiziellen Laden, der für den Vertrieb solcher Produkte zuständig wäre. Der es, also, dein Produkt, auch gerne vertreiben würde. Aber leider, so wie du, auch nicht bestimmen darf, welche Produkte er in welcher Stückzahl wem vertreibt. Sowas könnte man als Lose-Lose-Lose-Situation bezeichnen: Der Erzeuger erzeugt etwas, das der Endverbraucher gerne hätte, kann es aber nicht über den zuständigen Einzelhändler verkaufen, weil ein Monopol dazwischensteht, dem alle drei herzlich egal sind. 
Nein, es geht in diesem Artikel nicht um Bananen in der guten, alten DDR. Es geht um Magazine wie den WIENER und den österreichischen Zeitschriftenhandel, womit hier hauptsächlich die Trafik gemeint wäre. Thalia, Billa, Spar und Konsorten lassen wir mal außen vor und die Tankstellen verkaufen praktisch keine Magazine mehr, seit der Morawa … halt! Wir greifen vor.

Zur Person

Sauer

Franz J. Sauer ist Chefredakteur und seit 2015 gemeinsam mit Gregor Josel Herausgeber und Eigentümer des ab 1979 durchgehend erscheinenden legendären Männer- und Lifestylemagazins WIENER.

Also. Wenn ich, der Herausgeber des WIENER, eine Story über irgendjemanden in demselben platziere und der Irgendjemand mag nicht warten, bis ihm die Post (auch so ein Verein …) das nämliche Heft zustellt, sondern gleich am Erscheinungstermin ein Exemplar erstehen – tja, dann darf er zumeist drei bis sieben Trafiken abgrasen, bis er endlich einen WIENER findet. Bis dahin hat er durchschnittlich zwei Mal gehört, den WIENER gäbe es ja längst nicht mehr, einmal hört er, den WIENER gäbe es nurmehr im Abo und zwei weitere Male bekommt er gesagt, dass man eh schon Ausgaben nachbestellt hätte, aber halt keine mehr kriegt. Und bei der einen Trafik, wo er gar nicht mehr nachfragt, sondern nur im Regal sucht – da hat er den WIENER halt leider nicht gefunden, weil er nicht bei den Männer-Heften, sondern bei den Frauenmagazinen, gleich neben Schwesterlein WIENERIN gestanden hatte. 

Schade. 

Und wie kommt es? Ganz einfach: Der zwischengeschaltete Vertrieb, ohne den weder die Trafiken Zeitungen erhalten, noch der Verlag Zeitungen verkaufen darf, heißt PGV. Ist seit dem Geschäftsausstieg von Morawa vor vier Jahren Monopolist und geriert sich auch genau so. Nämlich mit eben jener Wertschätzung, die man Produkten halt entgegenbringt, die eine Pro-Stück-Marge von 2 Euro 90 erwirtschaften, und das insgesamt wenns hoch kommt, 3.000 bis 5.000 Mal pro Jahr. Trafikanten berichten mir, sie hätten WIENER bestellt und keine Antwort bekommen, wenn ich derlei urgiere, bekomme ich zu hören, ich hätte mich geirrt. Als die Styria vor knapp einem Jahr die WIENERIN einstellte (um sie wenig später an anderer Stelle im Verlagsgewirr wieder auferstehen zu lassen), erzählte der PGV den Trafikanten pauschal, der WIENER würde auch gleich miteingestellt (obwohl die beiden Hefte seit 2015 nicht mehr auch nur ansatzweise im selben Haus erscheinen). Und die Trafikanten? Hören seit Jahren wenig anderes, als dass Magazine eingestellt werden. Warum sollten sie sich also wundern?
Als Einzelkämpfer, die wir beim WIENER sind (der Titel wurde 2015 von einem engagierten Zwei-und-ein-Bisslwas-Team vom Großverlag STYRIA übernommen), machen wir uns ja gelegentlich die Mühe von Mystery-Shopping-Touren. Und da hört man dann all die netten Geschichten, die ich in den Absätzen zuvor weitergegeben habe. 
Klar darf einer wie der Morawa einen verlustbringenden Geschäftszweig loswerden (man hat damit auch eine Art Marktbereinigung durchgeführt, die Tankstellen etwa sind erst dadurch draufgekommen, dass ihnen Bier auf derselben Verkaufsfläche wie einst Magazine viel mehr Umsatz bringt). Und klar darf sich ein PGV, der sich um das Geschäft angeblich kaum gerissen hat, wie ein Monopolist aufführen, wenn er einer ist (und, das wollen wir mal so glauben, am Magazingeschäft in Österreich auch nix verdient). 
Aber warum lässt eine Medienpolitik derlei zu? Wie kann es sein, dass man die angeblich so wichtige Medienlandschaft, die man ja auch mit dem einen oder anderen Sümmchen fördert, ausgerechnet vertriebsseitig derlei verrecken lässt, indem man sich kein Regulativ einfallen lässt, das sowohl den Herausgebern wie auch den Einzelhändlern, wenn schon kein gutes, fixes Einkommen wie in den Heydays des Printjournalismus, dann wenigstens faire Möglichkeiten bietet, ihr Geschäft irgendwie zu betreiben?
Wenn ein Magazinherausgeber heutzutage durch den E-Paper-Vertrieb über einen elektronischen Massenkiosk wie READLY in barer Münze gerechnet mehr Umsatz macht, als durch den Absatz seiner Printware über die Trafiken, dann kann man sich ungefähr vorstellen, welche Stunde geschlagen hat. Jene des Internets. Endgültig und für immer. Das wars dann halt mit den gedruckten Magazinen, Heften, Zeitschriften, Journalen, wie auch immer sie mal geheißen haben. Aber bitte nachher nicht raunzen, gell?