Versicherungen

Versichert, sicher. Sicher?

Interview
13.11.2024

Die Hochwasserkatastrophe hat gezeigt: Trafiken sind wie der restliche Einzelhandel gefährdet, plötzlich hohen Schaden zu erleiden. Die Trafikanten Zeitung hat Obmann Horst Grandits vom BG der Versicherungsagenten und Obmann Wolfgang Streißnig vom BG der Tabaktrafikanten zum Gespräch gebeten.
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Trafikanten Zeitung: Wie stellt sich die Situation in Punkto Versicherungen bei Trafiken dar? Gibt es spezielle Regeln, die zu beachten sind? Bestehen Unterschiede im Vergleich zum Einzelhandel?
Grandits: Ja, das kann man so sagen. Trafiken haben generell ein erhöhtes Risiko für Einbruchdiebstahl und Überfälle. Einige Versicherer setzen für die Deckung dieses Risikos eine Alarmanlage voraus. Das bedeutet, dass eine Alarm- oder Überfallanlage die Grundvoraussetzung ist, um überhaupt eine Einbruchdiebstahlversicherung anzubieten.
Streißnig: Hierzu möchte ich ergänzen, dass es in manchen Bundesländern Förderungen für Alarm- und Videoüberwachung gibt, die von der Kammer bereitgestellt werden. So fördern wir in Kärnten beispielsweise entsprechende Sicherheitsanlagen mit bis zu 500 Euro.

Sie sagten, dass eine Alarmanlage teilweise eine Voraussetzung für den Abschluss einer Versicherung ist?
Grandits: Ja, das betrifft das Einbruchdiebstahl- und Überfallrisiko. In anderen Bereichen wie Feuer, Sturm, Leitungswasser, Glas oder Betriebshaftpflicht gibt es keine speziellen Anforderungen.

Gibt es eine verpflichtende Versicherung für Trafiken?
Streißnig: Nein, eine gesetzliche Verpflichtung besteht nicht. Ich empfehle jedoch, sich beraten zu lassen und zumindest eine Grundabsicherung zu haben, wie etwa Haftpflicht- oder Rechtsschutzversicherungen.

Trafiken haben oft leicht entzündbare Produkte gelagert. Gibt es spezielle Bedingungen bei Feuerversicherungen, wie etwa Prämienreduktionen bei vorhandener Löschanlage?
Grandits: Diesbezüglich ist mir nichts bekannt, aber es kann durchaus sein, dass einzelne Versicherer eine geringfügig günstigere Prämie anbieten.

Was kostet ein typisches Versicherungspaket für eine Trafik?
Grandits: Wir haben Beispielberechnungen mit einem durchschnittlichen Inhaltswert von etwa 200.000 Euro erstellt und die gängigen Deckungen wie Feuer, Sturm, Leitungswasser, Glas Einbruchsdiebstahl, Betriebsunterbrechung und Betriebshaftpflicht berücksichtigt, ebenso vorausgesetzt eine Alarmanlage sei vorhanden. Daraus ergibt sich eine monatliche Prämie von etwa 150 Euro.

Das klingt recht überschaubar.
Streißnig: Ja, das kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen. Die Prämien für mein Geschäft sind sehr verträglich.
Grandits: Die Prämien bei den Betriebsversicherungen sind absolut überschaubar, auch im Vergleich mit anderen Branchen. Das heißt wir haben keine besonderen Gefahrenzuschläge, eigentlich bewegt sich alles im normalen Rahmen. Wie schon erwähnt, einzige Voraussetzung: es besteht eine Alarmanlage für das Einbruchdiebstahlrisiko.

Wie sieht es bei der Betriebsausfallversicherung aus, speziell für Trafikant*innen, die gesundheitlich eingeschränkt sind?
Grandits: Aufpassen, hier ist eine klare Unterscheidung wichtig: Es gibt die Betriebsunterbrechungsversicherung, die bei Elementarschäden wie Feuer, Sturm Leitungswasser oder Einbruch greift und während der Sanierungsphase zahlt. Daneben gibt es Versicherungen, die den Ausfall der Person, beispielsweise krankheitsbedingt, abdecken. Diese heißt auch Betriebsunterbrechungsversicherung.

Aber wenn man jetzt eine Betriebsunterbrechungsversicherung für Trafikant*innen selbst benötigt, wovon sind die Prämien abhängig? 
Grandits: Wenn eine solche Betriebsunterbrechungsversicherung aufgrund von Krankheit oder Unfall gewünscht wird, hängt die Prämie unter anderem vom Einstiegsalter und Gesundheitszustand ab. Nicht jede Beeinträchtigung führt auch zu einem erhöhten Gesundheitsrisiko. Man sollte jedenfalls darauf achten, eine Variante ohne Kündigungsrecht des Versicherers im Schadensfall zu wählen.

Sollte man ein potenziell erhöhtes Unfallrisiko aufgrund einer körperlichen Beeinträchtigung bei der Versicherung berücksichtigen?
Grandits: Hier ist wirklich eine individuelle Betrachtung und Einschätzung der Versicherer gegeben. Pauschale Aussagen lassen sich hier kaum treffen, zumal es eine EU-Richtlinie gibt, die Diskriminierungen von Menschen mit Beeinträchtigungen auch im Versicherungsbereich verbietet. Was bei der Betriebsunterbrechungsversicherung allerdings beachtet werden muss, insbesondere weil es immer wieder zu Problemen in Schadensfällen kommt, ist Folgendes: Das Unternehmen muss nachweisen, dass der Ausfall aufgrund von Krankheit oder Unfall tatsächlich zu Umsatzeinbrüchen geführt hat. Die meisten Trafikant*innen haben ja auch Angestellte, die das Geschäft zwischenzeitlich übernehmen können. Das kann zu Einwänden des Versicherers führen. 

Ist das also eine Bringschuld der Trafikant*innen?
Grandits: Der Versicherer hat das Recht auf Bucheinsicht. Wenn der Versicherer im Schadensfall feststellt, eine Trafikant*in ist zwar ausgefallen, hatte aber keine Umsatzeinbußen, dann wird die Versicherungsleistung in der Regel abgelehnt bzw. reduziert.

Streissnig
Wolfgang Streißnig, Obmann Bundesgremium der Tabaktrafikanten

Berufsausfallsicherungen, die sich auf das Individuum beziehen, haben doch generell aufwändige Prämien. Zahlt sich sowas für Trafikant*innen aus, der allein im Geschäft sind?
Grandits: Wir haben auch hierfür die erwähnte Musterberechnung angestellt, zugeschnitten auf einen durchschnittlichen 40-Jährigen: Für eine Versicherungsleistung von 200 Euro pro ausgefallenen Tag aufgrund von Krankheit oder Unfall beträgt die Monatsprämie in etwa 150 Euro. 

Zurückkommend auf das Hochwasser: Hier gibt es bekanntlich auch staatliche Hilfen. Wie werden diese mit den individuellen Versicherungsleistungen koordiniert? Wie funktioniert das in der Praxis?
Grandits: Ich kann nur aus der Perspektive der Privatversicherung sprechen. Diese Leistungen werden völlig unabhängig von staatlichen Hilfen vom Versicherer erbracht. Das heißt, die Versicherer sind hier nicht in Koordination mit den Ländern oder dem Bund. Das, was mir aber bekannt ist: wer eine Leistung aus dem Katastrophenfonds erhält, muss sich hiervon die Leistungen der Privatversicherer abziehen lassen. Das stößt oft auf Unverständnis.
Was grundsätzlich gesagt werden muss: aufgrund dieses wirklich außerordentlichen Ereignisses – es handelt sich hier tatsächlich um den größten Einzelschaden in der österreichischen Versicherungsgeschichte – drängt die Versicherungswirtschaft zu einer gesamtheitlichen Lösung: zur sogenannten Pflichtversicherung. In der Praxis würde das heißen, dass bei jedem Versicherungsvertrag ein gewisser Grundbeitrag eingehoben werden würde, der für Katastrophenrisiken reserviert ist. Der Vorteil wäre ein hundertprozentiger Ersatz im Schadensfall. In einigen EU-Ländern gibt es das bereits, zum Beispiel in Dänemark. Es gibt hier bereits einen Vorschlag seitens der Versicherungswirtschaft im Rahmen der Sparte Feuerversicherungen, diese Zusatzprämie für Katastrophenschäden einzuheben. 

Ist das vielleicht auch etwas, was Rückversicherer fordern?
Grandits: Natürlich, ganz klar. Dieses Risiko betrifft Rückversicherer sehr stark. Derzeit gibt es Schätzungen über die Hochwassersituation 2024, die von einem Gesamtschadenvolumen für Versicherer von 700 Millionen Euro ausgehen.

Grandits
Horst Grandits, Obmann Bundesgremium der Versicherungsagenten

Gibt es noch Extratöpfe, die im Härtefall angezapft werden können?
Streißnig: Ja, es gibt die Möglichkeit bei der WKO Hilfeleistungen zu beantragen. Darüber hinaus werden von uns auch ganz spezifisch für Trafikant*innen Spenden- und Hilfsaktionen organisiert. Last but not least gibt es auch noch den Solidaritäts- und Strukturfonds: wenn eine Trafik länger geschlossen hat, wird das rechnerisch von Monopolverwaltung erfasst und kann Überbrückungshilfe beantragt werden. Wir sind hier auch gerade am Überprüfen, inwiefern darüber hinaus Mittel zur Katastrophenhilfe aus dem Fonds freigemacht werden können, das ist rechtlich etwas diffizil.

Angenommen, man wendet sich an die Versicherung, weil ein Schaden durch Hochwasser entstanden ist. Ein Gutachter wird bestellt, zusätzliche Dinge sind zu koordinieren, die Aktivierung des Hochwasserfonds und dergleichen. Gibt es da von den Versicherungen, WKO oder sonstigen Stellen operative Assistance, um die Trafikant*innen bei der Abwicklung zu unterstützen? Vielen wird das ja sonst zu viel?
Streißnig: Selbstverständlich gibt von der Wirtschaftskammer gibt es selbstverständlich organisatorische Beratung und Unterstützung. Am besten wendet man sich direkt an sein Landesgremium, oder auch das Bundesgremium. Alternativ bietet auch die Wohlfahrtseinrichtung der Tabaktrafikanten Unterstützung an. 
Grandits: Die Versicherungswirtschaft bietet naturgemäß keine Koordinierung mit staatlichen Hilfen. Was wir Vermittler aber selbstverständlich tun, ist auf die jeweilige Berufsvertretung in der WKO zu verweisen.
Streißnig: Genau. Wir sind sehr nah an unseren Mitgliedern und die Solidarität innerhalb der Branche ist sehr groß! Ein aktueller Fall etwa aus Niederösterreich: dort ist eine komplette Trafikeinrichtung mit Unterstützung aus der Steiermark gesponsort worden. 
Bei uns wird niemand im Stich gelassen. In irgendeiner Form gibt es immer Hilfe.

Wenn Trafikant*innen ganz neu anfangen, durchlaufen sie bekanntlich ein Programm: Ausbildung, Erstberatung, Trafik-Akademie etc. Wird das Thema Versicherungen hier mitbehandelt oder muss man sich als Jungunternehmer selbst darum kümmern?
Streißnig: Das Bundesgremium ist selbstverständlich bei der Trafikakademie eingebunden. Es werden sämtliche unternehmerische Bereiche berücksichtigt, das schließt die Versicherungsangelegenheiten mit ein. Jungtrafikant*innen werden entsprechend aufgeklärt, was zu tun ist und was das Beste für das Geschäft ist.

Besteht hier eine Zusammenarbeit mit Versicherungsunternehmen, um entsprechende Empfehlungen abzugeben?
Streißnig: Empfehlungen zu jeweiligen Versicherungsinstituten haben wir selbstverständlich nicht, das wäre als Interessensvertretung auch problematisch. Die Wohlfahrtseinrichtung der Tabaktrafikanten arbeitet allerdings mit einem Pool an Versicherungsvermittlern zusammen. Schlussendlich ist die Auswahl des Versicherers immer eine unternehmerische Entscheidung der einzelnen  Trafikant*innen. 
Grandits: Was jedenfalls zu empfehlen ist: nicht selbst über das Internet mit Vergleichsplattformen etwas „zusammenbasteln“, dann führt das bekannterweise gefährliche Halbwissen eventuell zu einem Versicherungsschutz, der vielleicht billig ist, aber im Schadensfall nicht ausreichend hilft. Hier ist unbedingt der Weg zu seinem persönlichen Versicherungsbetreuer zu finden, um sich eine qualifizierte Beratung zu holen und ein optimales Preis-Leistungs-Verhältnis zu finden.
Streißnig: Ich möchte anmerken: wir haben gute Versicherungen im Land, aber alle Trafikant*innen sollten trotzdem regelmäßig ihre Versicherungspolizzen evaluieren und darauf achten, dass die Deckungssummen passen.

Gab es da in den letzten Jahren signifikante Veränderungen in der Versicherungsbranche, beispielsweise durch E-Zigaretten, die aufgrund der Lithium-Ionen-Akkus eine gewisse Brandgefahr darstellen? 
Grandits: Versicherungstechnisch meines Wissens nicht. Die Prämiensätze haben sich deswegen nicht gravierend verändert. 

Was können sie zu quasi externen Dingen, wie Spiralautomaten vorm Geschäft oder dislozierten Automaten sagen?
Grandits: Wir haben bei der Kalkulation, die ich vorher erwähnt habe, die eine Prämie von 150 Euro ergeben hat, einen klassischen Zigarettenautomaten mitversichert.

Spiralautomaten sind ja bei den Trafikant*innen sehr gefragt. Aber weil sie außerhalb der Trafik sind, werden sie oft Ziel von Vandalismus oder Einbruchsversuchen. Sind das Dinge, die dann im Versicherungsvertrag genannt werden müssen?
Grandits: Solche Sachen sind nicht automatisch mitversichert, sondern sind eigens anzuführen. Ganz wichtig ist auch die Angabe von Anzahl und Ort: steht der Automat direkt vor dem Geschäft oder überhaupt an einem ganz anderen Standort? Das muss selbstverständlich berücksichtigt und ordentlich mitversichert werden.

Sehr aufschlussreich, danke! Gibt es abschließend noch Empfehlungen oder weitere Tipps?
Grandits: Vor allem sollte man regelmäßig das Gespräch mit seinem Versicherungsbetreuer suchen. Versicherungsrisiken ändern sich, Deckungen ändern sich, der Bedarf steigt. Vor 20 Jahren waren Naturkatastrophenschäden beispielsweise nicht im heutigen Ausmaß gegeben.
Streißnig: Das ist auch meine Empfehlung: in regelmäßigen Abständen prüfen, ob alles passt. Ich kann aus eigener Erfahrung sprechen, als ich damals das Geschäft von meinem Vater und auch seine Versicherungen übernommen habe. Ich habe mir alle Verträge durchgelesen und musste feststellen, dass Wasserschäden erst ab einer Sockelkante von 8 cm versichert sind. Gleich habe ich bei mir im Lager mit dem Zollstab nachgemessen und siehe da: alles ist auf 7 cm Höhe. Dann wusste ich, es besteht Handlungsbedarf.
Ein anderes Beispiel, warum eine gute Versicherung wichtig ist: Bei uns in der Umgebung gab es einen Einbruch in einer Trafik, da ist insbesondere eine Riesensumme an Vignetten weggekommen. Der Trafikant kämpft heute noch mit dem Schaden.
Grandits: Genau! Was dazu kommt ist, dass das Angebot in den Trafiken immer umfangreicher wird. Das heißt, der Inhaltswert steigt von Jahr zu Jahr und wird oft nicht korrekt angepasst. Das gehört regelmäßig gecheckt, um eine Unterversicherung zu vermeiden. Bei der Prämie reden wir hier nicht von großen Beträgen. Zuerst 150, danach vielleicht 180 Euro. Dafür hat man aber einen perfekten und richtigen Versicherungsschutz. Und das wirkt sich dann eben im Schadensfall aus, das muss jedem klar sein.