Der Fenstergucker
Robert Ruthner ist schon länger im Geschäft: Seine erste Trafik übernahm er 1982 – eine überschaubar gute Wahl, weil ihn die Kunden im total verbauten Center nicht fanden. Von Meidling führte sein Weg über Alsergrund nach Simmering; damals noch ohne U-Bahn. Als die U3 schließlich eröffnet wurde, lag sein Geschäft genau zwischen zwei Stationen – wieder nicht ideal. So siedelte Trafikant Ruthner 2011 in die U3-Endstation, seinen mittlerweile vierten Standort.
Frequenz ohne Fläche
Die Kundenfrequenz mit rund 90 Prozent Stammkunden war immer gut bis sehr gut. Da machte es auch nichts, dass der eigentliche Verkaufsraum nur 21 Quadratmeter klein ist. In den Kernzeiten arbeitete die kleine Trafik mit drei Kassenplätzen, von denen jeder mehr als gut ausgelastet war.
Als 2018 Kaffee für den Verkauf freigegeben wurde keimte erstmals eine Idee in Robert Ruthner: Was, wenn man die eiligen Laufkunden mit der typischen „Ein Packerl Tschick und ein Kaffee“-Bestellung von Lottospielern, Zeitungsschmökerern und Rubbellos-Käufern trennen und ohne vorheriges Betreten des Geschäfts bedienen könnte? Gegen die Umbaupläne legten sich damals aber ÖBB und Wiener Linien quer. Konsequent ließ sich der Trafikant auch mit der Einführung des eigentlich schon geplanten Kaffeeangebots Zeit.
Das Problem mit der Pandemie
Die coronabedingte Beschränkung der Kundenzahl pro Fläche war dann ein harter Schlag für das kleine Geschäftslokal: Plötzlich durften nur noch maximal zwei Kunden gleichzeitig in der Trafik sein, die Frequenz brach hart ein. „Ich habe dann einfach etwas tun müssen, damit sich die Kunden nicht minutenlang anstellen müssen“, erklärt Ruthner. „Das tut nämlich niemand!“
Ein Verkaufsschalter auf den Vorplatz mit Straßenbahnhaltestelle wäre eine Lösung, mit der eilige Kunden schnell zu ihrem Einkauf kämen, was wiederum die Schlange vor dem Geschäft verkürzen würde – ein Win-win-Konzept.
Kompliziert in der Umsetzung
Wer den Umbau machen sollte, war nach ein paar eingeholten Angeboten ebenfalls klar: Pirker Trafik Design sollte – wie schon 2011 – Konzept und Umsetzung verantworten. Der Teufel steckte aber im Detail: Um aus dem Geschäft nach draußen durchbrechen zu können, mussten Steig- und Löschleitungen in der Wand bis in den Keller versetzt werden, was Unsummen kostete. Dazu dauerten die vorherigen Verhandlungen mit den Wiener Linien gefühlt ewig.
Für die Einrichtung – zwei Zigarettenregale, die Kassa und der Schalter – war außerdem wenig Platz in dem schmalen Gang, welcher sich für die Umsetzung anbot. Im Juni 2021 hatte die Detailplanung endlich beginnen können; mit Ende Oktober 2021 war das Projekt letztlich abgeschlossen. Und das ohne einen einzigen Schließtag, wie der Trafikant erzählt: „Wir haben mit Staub-Trennwänden gearbeitet, damit man den nicht vom Umbau betroffenen Teil des Lokals weiter bewirtschaften konnte. Ich sperre doch meine Trafik nicht ganz zu, wenn es nicht unbedingt sein muss!“
Die neue Expresskassa
In der Trafik Ruthner finden sich jetzt vier Kassenplätze: Aus den ursprünglich drei am Tresen wurden während des Umbaus zwei, den dritten konnte Pirker mit einem Kniff wieder nutzbar machen – er steht als rasches Backup zur Verfügung, wenn er benötigt wird. Nummer vier ist die „Expresskassa“ am Verkaufsschalter, der nun den dritten Monat in Betrieb ist. Und von den Kunden gut angenommen wurde, wie Ruthner berichten kann: „Es kommen jetzt nur noch Kunden in die Trafik, die mehr als ein Packerl Zigaretten brauchen. Wer sich vorher an der Warteschlange gestört hatte, kann jetzt seinen schnellen Einkauf am Schalter machen. Dafür gibt es dort nur Tabakprodukte und Getränke. Ich werde am Schalter auch nie ein Lottoterminal aufstellen.“
Das eingeschränkte Schalter-Portfolio ermöglicht es auch, die „Verkaufsdurchreiche“ mit weniger erfahrenem Personal zu betreiben. Denn sobald Lotto und beratungsintensivere Produkte dazukommen, benötigt die intensivere Mitarbeiter-Schulung in Summe zwei bis drei Monate. Für die Expresskassa mit ihren sekundenschnellen Geld-für-Ware-Transaktionen reicht ein Crashkurs.
Hat es sich ausgezahlt?
„Das ist nicht einfach zu beurteilen“, meint Robert Ruthner dazu. „An der Expresskassa liegt der Anteil von Tabakwaren bei 96 Prozent und ich kann mit den Umsätzen sehr zufrieden sein, obwohl wir durch Homeoffice und häufigere Fahrgemeinschaften früherer Öffi-Nutzer rund 20 Prozent Frequenz verloren haben. Persönlich konnte ich noch keinen Nachteil des Verkaufsschalters erkennen, und ich habe dazu auch noch kein einziges negatives Feedback, sondern nur Lob von meinen Kunden bekommen. Ich weiß, dass meine Idee für Hochfrequenzlagen so gut funktioniert, dass wir den Schalter auch nach dem Ende des Corona-Wahnsinns weiter betreiben werden.“