110 Jahre Camel: Evolution einer Marke
Die Kultmarke kann auf eine ebenso illustre wie erfolgreiche (Werbe-) Geschichte zurückblicken.
Ich muss gleich zu Beginn einräumen: die Marke mit dem Wüstenschiff hat für mich eine ganz persönliche Bedeutung. Die gesamten rund 15 Jahre meiner Raucherlaufbahn – mittlerweile aber auch schon 17 Jahre vergangen – hielt ich Camel unerschütterlich die Treue. Zuerst die klassischen, später mal die heute antiquierten „Mild“ und „Light“, und zu später Stunde in so manch damals noch verrauchten Bar auch gerne mal die filterlosen. Und es war wohl der einzigartige Mix aus „Turkish and Virginia Tobacco“, wie auf der Packung angegeben, der es mir immer angetan hatte. Das, und der unverwechselbare Werbeauftritt, der vor allem in den 80er und 90er Jahren wegweisend in der Branche war.
Innovationen am laufenden Band
Doch von Anfang an. Der visionäre Tabakpionier Richard Joshua „R. J.“ Reynolds war mit diversen Tabakprodukten schon seit 1875 äußerst erfolgreich im Geschäft und hielt zunächst nicht viel von den „neumodischen“ Zigaretten. Doch aus einem gewissen Mitbewerbsdruck entschied er sich, seine bewährte Mischung aus lokalen Virginia- und Burley- sowie türkischen Tabaken (übrigens der Vorläufer des heutigen American Blend-Typs) in die brandneue Form der vorgerollten Zigarette zu bringen. Eine Revolution. Der im Vergleich zu anderen Herstellern besonders milde Geschmack kam sofort gut an, spätere Innovationen wie die 20-Stück-Packung etablierten sich schnell als bis heute gültiger Standard.
R.J. bewies aber nicht nur beim Produkt selbst, sondern auch im Marketing einen untrüglichen Instinkt. Die Schöpfung der Marke „Camel“, naheliegenderweise auf die teils orientalische Herkunft der Tabake zurückzuführen, verbunden mit der ikonischen Abbildung, setzte sich sofort in den Köpfen der Konsumenten fest; perfekt inszenierte Werbekampagnen taten ihr übriges. „The Camels are coming“, eine Anspielung auf das alte schottische Volkslied „The Campbells Are Coming“, wurde zum eingängigen Jingle, zusätzlich zog „Old Joe“, ein Zirkuskamel, durch die Städte zog, um Aufmerksamkeit zu erregen und kostenlose Zigaretten zu verteilen. Höhepunkt der Werbemaßnahmen war schließlich der jahrzehntelang verwendete Slogan der Marke: „I‘d walk a mile for a Camel!“. Und auch Old Joe sollte Dekaden später nochmal als „Joe Camel“ Werbegeschichte schreiben.
Heyday und radikale Veränderungen
1974 wurde für eine französische Werbekampagne die neue Figur Joe Camel geschaffen und in anderen europäischen Ländern verwendet. Doch erst in der ab 1988 in den USA verwendeten Cartoon-Form begann der erfolgreiche Werbe-Siegeszug des Maskottchens, das am Höhepunkt punkto Bekanntheit fast gleichauf mit Mickey Mouse lag. Auch bei Kindern, was die Aufmerksamkeit der Gesetzgeber in einem stark verschärften Rechtsumfeld erregte und so schließlich nach äußerst erfolgreichen Jahren und langwierigen Prozessen das Ende der Werbeikone Joe Camel bedeutete.
In Europa setzte man seit 1980 nebst den üblichen Werbemaßnahmen auf das Konzept der „Camel Trophy“: das Offroad-Abenteuer in speziell gebrandeten Land Rover Geländewagen führte die qualifizierten Teilnehmer durch schwierigstes Gelände, meist in Dschungel-Regionen, in verschiedenen Ländern und wurde 1999 eingestellt. Ebenso prägend für die Epoche vor den umfangreichen Werbeverboten: Sponsorverträge im Rennsport von Formel 1 bis MotoGP, Modelinien und stets wechselnde Special Edition Packungsdesigns, immer wieder auch von namhaften Künstlern wie Damien Hirst gestaltet.
Camel heute
Leider sind die Zeiten der extrem kreativen Werbung lange vorbei. Was jedoch geblieben ist, ist die seit 110 Jahren gleichbleibend hohe Qualität und der einzigartige Blend der Tabake. Ein breites Sortiment von 13 verschieden Zigaretten-Typen inklusive der innovativen Activate-On-Variante sowie loser Tabak bieten Camel-Freunden nach wie vor perfekten Tabakgenuss. Die Zahlen sprechen für sich: in nur zwei Jahren (2020 bis 2022) ist die Marke von Platz 6 auf Platz 3 der weltweit populärsten Rauchtabake geklettert – der 110 Jahre alte „Old Joe“ beweist so die sprichwörtliche Ausdauer der Wüstenbewohner!