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Nicht jeder Obstschnaps kann ein „Zigarrenbrand“ sein

Zigarren
18.06.2024

In einem Land mit Österreichs Destillier-Tradition liegt die Begleitung von Zigarren mit gebrannten Früchten nahe. Bei der Wahl des „Schnapserls“ ist dabei allerdings einiges zu beachten.
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Apfel, Marille, Williamsbirne oder ein „Zwetschbamener“, was darf es denn sein? Die Auswahl an Fruchtdestillaten ist hierzulande groß – und dabei haben wir Wildfrüchte wie Asperl/Mispel oder Vogelbeere noch gar nicht erwähnt. Der entscheidende Faktor ist bei dieser typisch österreichischen Spirituosen-Kategorie aber weniger das gewählte Obst. In erster Linie muss die „Augenhöhe“ mit der Intensität der Zigarre hergestellt werden. Denn leider kommt man an einer physiologischen Konstante nicht vorbei: Hochprozentiger Alkohol fordert die Schleimhäute im Mundraum. Das macht es unserer Sensorik schwerer, die Nuancen einer guten Zigarre zu genießen.
Vorausgeschickt sei, dass man sich als Connaisseur nur mit Edelbrand beschäftigen sollte. Die Kategorie sieht 100% des Geschmacks aus der Destillation von Früchten vor. Zusatzstoffe, Zucker oder Aromen – wie es bei „Spirituosen“ möglich wäre – sind verboten. Generell sind milde Obstbrände vorzuziehen, speziell dann, wenn zuerst am „Schnapserl“ genippt wird und dann geraucht. Ist der Eindruck des Getränks „scharf“, wird er durch den Zug an der Zigarre nämlich noch intensiviert. Durch Rauch-Nebenprodukte einerseits, durch den dabei eingesaugten Sauerstoff andrerseits. Doch keine Angst – wir raten jetzt nicht zum picksüßen Likör als Alternative!

Die Sanftheit der Holzreifung

Tatsächlich haben sich ja schon einigen Jahrzehnten eigene „Zigarrenbrände“ etabliert. Sie entstanden zu einer Zeit, als der heimische Edelbrand seine besten Zeiten erlebte. Die 1980er Jahre legten den Fokus endlich auf die Qualität der Früchte. Nicht mehr das Fallobst wanderte in den Brennhafen, sondern nur die besten Stücke. Wobei es auch da Abstufungen gab, wie sich Alois Gölles erinnert: „Zwetschke können wir im Restaurant nicht verkaufen“, beschied ihm damals die „Steirereck“-Familie Reitbauer. Das Billigimage dieses Obstbrands änderte Gölles nach einer Reise in die Schweiz aber schnell; der dortige „Vieille Prune“ inspirierte ihn zu einem herausragenden Zigarrenbegleiter. Die „Alte Zwetschke“ gewinnt ihre Aromatik seither durch die Fass-Lagerung. „Zwischen acht und zehn Jahren erreicht sie die perfekte Reife“, so der Brenner. 
Er servierte jüngst vier verschiedene Fassproben des Brands in einer Blindprobe zur Ramon Allones „Edición Regional Sr. Henry“. Anlass dazu war die Suche nach einem Destillat zum 35. Geburtstag des Habanos-Importeur „5th Avenue“. Die kubanische Vitola profitierte beim Sieger-Fass, das die Kenner-Runde (darunter der Autor) auserkor, von einem perfekten Zusammenspiel: Die Primäraromen der Zwetschke hob die Zigarre ebenso hervor wie Ingwer und Pfeffer. Denn das Geheimnis hinter den explizit als „Zigarrenbrände“ verkauften Fruchtdestillaten ist die Fassreifung. Durch Mikrooxidation und langsamen Alkoholabbau sorgt sie für ein geschmeidiges Destillat. Ähnlich wie die erwähnte niedrigere Füllstärke bringt das eine gute Voraussetzung für Pairings mit Robusto, Corona und Co. mit.

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San Cristobal Obispo Exclusivo Austria und Montecristo Double Edmundo erwiesen sich in der Manufaktur Gölles als famose Obstbrand-Begleiter.

Süßere Früchtchen bevorzugt

Ein schönes Beispiel dafür stellt auch der im Fass gereifte Zwetschkenbrand des Klagenfurter Brenners Valentin Latschen dar. Seine unter der Marke „Pfau“ gefüllten Destillate bleiben bis zu sieben Jahre im Holz. „Dieses soll aber nie die Frucht dominieren“, so der erfahrene Brenner. Weich und rund ist ein idealer Zigarrenbrand am Gaumen. Da Edelbrände aber nie gezuckert werden dürfen, ist die natürliche Fruchtsüße entscheidend, um den Bitternoten der Rauchwaren Paroli zu bieten. Das gilt vor allem auch für den Apfelbrand, dessen Balance mit den Eichenholz-Noten besonders fragil ist. Allerdings passt die sanfte Aromatik von Apfel besonders gut zu den Vanillenoten der Fassreifung. 
Bei ausgeprägter Fruchtigkeit kann aber auch ohne die Harmonisierung im Fass ein äußerst Zigarren-freundlicher Brand entstehen. In Österreich wären dabei die lange im Glasballon gereiften Rochelt-Brände aus Fritzens in Tirol zu nennen. Zwischen zehn und 19 Jahren verlieren die Destillate langsam an Alkohol. Das bedeutet natürlich auch Mengenverluste – dieser „Angels´ Share“ ist mit ein Grund für den hohen Preis. Die Konzentration der Aromen aber macht etwa die „Wachauer Marille“ oder den Kirschbrand auf Basis der Sorte „Basler Langstieler“ zu sanften Zigarren wie der „Davidoff Signature 2000“ zum Hit. 

Der Rauch hüllt sich in Marzipan

Es schadet also nicht, die Brennphilosophie zu kennen, ehe man aufs Geratewohl einen hochprozentigen Begleiter ordert. Nicht alle Destillateure schätzen den „Stein-Ton“, also den leichten Marzipangeschmack, den etwa Kirsche oder Vogelbeere mitbringen können, wenn man nicht alle Kerne entfernt. Für die Zigarren-Community ist er freilich ein Segen, denn diese fast cremige Geschmacksnote akzentuiert etwa die Würze nicaraguanischer Marken wunderbar. Generell ist die gebrannte Kirsche ein dankbarer Begleiter. „Bei Vergleichsproben ziehen die Verkoster in den meisten Fällen den Kirsch einem Whisky oder Rum vor“, weiß etwa der Schweizer Großmeister des „Kirschlis“, Lorenz Humbel aus der gleichnamigen Brennerei im Kanton Aargau. Und auch die steirische Feindestillerie Hochststrasser hat ihren „Zigarrenbrand“ auf einem Kirschdestillat aufgebaut.
Bei der Himbeere, einem weiteren Austro-Klassiker, sollte man sein hochprozentiges Gegenüber aber genau kennen. Während da und dort eine „grüne“ Frische zu breit wirkende Beerendestillate verhindern soll, lieben andere die fast parfümiert wirkende Machart. Letztere kommt aber eindeutig besser mit den Gerbstoffen des Rauchs zurande. Und vor allem darum geht es. Weil die Zigarre gut brennen soll. Aber nicht das Destillat!