Strategien zur Rauchentwöhnung – und warum viele scheitern
Zum Jahreswechsel nimmt sich jeder Fünfte Deutsche laut einer Befragung vor, mit dem Rauchen aufzuhören – angesichts einer Raucherquote von ca. 28% also 5,6 Prozent der Gesamtbevölkerung. Acht von zehn Befragten halten die guten Vorsätze aber nicht länger als zwei Monate durch. Dabei versuchen es 89 Prozent der Raucher innerhalb von 12 Monaten nicht einmal.
Gründe für das Scheitern
- Eine Abstinenz „von jetzt auf gleich“ ohne Unterstützung durch Ersatzprodukte, Hypnose etc. scheitert fast immer: 95 Prozent dieser Versuche eines kalten Entzugs werden binnen Jahresfrist (und meist noch viel rascher) aufgegeben.
- Wenn das Umfeld aus starken Rauchern besteht wird es schwierig: Während mehr als 50 Prozent der ArbeitnehmerInnen in Reinigungsberufen rauchen sind es unter UniversitätsprofessorInnen, JuristInnen, LehrerInnen und ÄrztInnen nur 15 Prozent – letzteren fällt das Aufhören entsprechend leichter.
- Vielen Rauchern fehlt auch das Wissen über hilfreiche Alternativen zur Zigarette: 61% der deutschen RaucherInnen glauben immer noch, dass E-Zigaretten zumindest gleich gefährlich wie Tabakzigaretten sind. Oder noch gefährlicher.
Harm reduction vs. „quit or die“
Natürlich ist die von der WHO noch immer propagierte totale Abstinenz die gesündeste Variante – doch gleichzeitig (siehe oben) auch die am schwersten zu erreichende. Aus der internationalen Suchtforschung wächst die Kritik an dieser als „hör auf oder stirb“ zu übersetzenden Haltung der Weltgesundheitsorganisation zunehmend.
Denn Suchtforscher gehen schon seit Jahrzehnten einen anderen Weg: Das Konzept der Schadensminimierung akzeptiert, dass Menschen psychoaktive Substanzen (Alkohol, Nikotin, Koffein, …) zu sich nehmen, sucht aber Wege, diesen Konsum mit den geringstmöglichen Gesundheitsschäden zu verknüpfen. Statt Rauchtabak Nikotin via E-Zigarette, Verdampfer oder Pouch zu konsumieren reduziert die negativen gesundheitlichen Auswirkungen nachweislich um rund 95 Prozent.
Das bekräftigt auch ein Artikel auf der Medizin-Website medonline.at, in dem der Wiener Pulmologe Prof. Dr. Popp speziell Tabakerhitzer als gesundheitlich interessante Alternative zum Weiterrauchen hervorhebt.
Schwieriger Paradigmenwechsel
Auch das britische Gesundheitssystem folgt diesem Weg und unterstützt seine Raucher im Umstieg auf weniger gesundheitsschädliche Konsumationsformen für Nikotin. Es ist auch kein Zufall, dass die Mehrheit der Studien zu E-Zigaretten aus Großbritannien stammen: Das Land stellt Geld dafür zur Verfügung, statt wie Deutschland und Österreich zu behaupten, dass „die Datenlage noch zu dünn ist“ – und gleichzeitig keine eigenen Studien zu finanzieren.
Dazu kommt, dass auch die Mehrheit der Parlamentarier nicht wirklich inhaltliche Ahnung hat: Würde man unter Politikern Fragebögen dazu auslegen, was am Rauchen am Gefährlichsten ist, bekäme mit großer Sicherheit „Nikotin“ die meisten Stimmen. So kommt es zu Fehlentwicklungen wie dem deutschen Tabaksteuerreformgesetz, das ab 2022 auch E-Zigaretten und Tabakerhitzer wie Zigaretten besteuert. „Da geht die Entwicklung genau in die falsche Richtung.“ meint dazu Prof. Stöver.
Dafür bietet das deutsche Gesundheitssystem seinen Rauchern alle drei Jahre Unterstützung dabei, mit dem Rauchen aufzuhören. Dies allerdings nur mit nikotinhaltigen Produkten der Pharmaindustrie, welche nachweislich eine deutlich schlechtere Erfolgsbilanz beim Rauchstopp als beispielsweise E-Zigaretten haben. Suchtforscher Stöver kommentiert das wie folgt: „Es wird immer noch zwischen gutem therapeutischem und bösem Genussmittel-Nikotin unterschieden. Bei Nikotinpflastern und –kaugummis fehlt aber das für den Raucher gewohnte Element in Form von Darreichung, Form und Handhabung.“
Hoffnungsschimmer durch Ampelkoalition
Das deutsche Koalitionsabkommen macht nun Hoffnung auf Veränderungen: Die Sätze „Wir verschärfen die Regelungen für Marketing und Sponsoring bei Alkohol, Nikotin und Cannabis. Wir messen Regelungen immer wieder an neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen und richten daran Maßnahmen zum Gesundheitsschutz aus.“ sowie „Modelle zum Drugchecking und Maßnahmen der Schadensminderung ermöglichen und bauen wir aus.“ finden sich im Regierungsprogramm.
Konkret könnte das für Alkohol eine Einschränkung der Werbemöglichkeiten, eine höhere Besteuerung, Verschärfungen beim Jugendschutz sowie eingeschränkte Verkaufsmöglichkeiten bedeuten.
Dass das Prinzip der Schadensminderung explizit angeführt wird lässt Prof. Stöver darauf hoffen, dass die neue Bundesregierung das Prinzip der Harm Reduction zur Leitmaxime ihrer Drogen- und Suchtpolitik macht. Was wirklich neu wäre.
Lange to-do-Liste
Die reine Absichtserklärung alleine wird aber zu wenig sein: Einerseits muss die Politik über die wahren Risikoverhältnisse verschiedener Nikotinprodukte aufgeklärt werden, um danach sachliche statt weltanschauliche Entscheidungen treffen zu können. Die Behandlungsleitlinien für Ärzte sowie die Handlungsanweisungen für Sozialversicherer gehören geändert. Und auch die Raucher selbst müssen über weniger gesundheitsschädliche Alternativen zur Zigarette Bescheid wissen – derzeit hält sich die falsche Einschätzung der Gesundheitsfolgen des Dampfens auch deshalb so hartnäckig, weil die E-Branche kaum erlaubte Kommunikationswege außerhalb von Geschäften und Foren hat und so den polemischen Gegenwind aus Politik und Medien nicht entkräften kann.
Es gäbe ausreichend Grund für einen diesbezüglichen Neuanfang, wie Prof. Stöver meint: „Die jährlichen 127.000 deutschen Todesfälle aufgrund von Tabakkonsum haben an der Gesamtzahl einen Anteil von rund 13% – es wundert mich sehr, dass es da eigentlich keinen lauteren Aufschrei gibt.“